Musterhaus Am Horn, Weimar

Reisetipps und Bilder zu Musterhaus Am Horn in Weimar

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Musterhaus Am Horn

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Das Musterhaus "Am Horn" ist ein in Weimar errichtetes Versuchshaus des Bauhauses. Anlass zum Bau dieses Hauses war die erste Bauhaus-Ausstellung vom 15. August bis 30. September 1923. 1922, vier Jahre nach Kriegsende und drei Jahre nach der offiziellen Gründung des Bauhauses unter der Trägerschaft (und Finanzierung) des damaligen Landes Thüringen, wollte das Landesparlament die ersten Ergebnisse der neuen Hochschule sehen. Das Bauhaus selbst hielt diesen Zeitpunkt für zu verfrüht, um schon etwas mehr als Konturen des neuen und zu diesem Zeitpunkt noch weltweit einzigartigem pädagogischen Systems vorzuzeigen. Nichts desto trotz konzentrierte der Bauhaus-Chef Walter Gropius die Kräfte der Hochschule auf die Ausrichtung einer ersten Exhibition.

Eingeleitet wurde die Ausstellung von der so genannten Bauhauswoche, ein kulturelles Großereignis im Stile eines Festivals, die sehr großen Anklang fand. Gropius eröffnete die Bauhauswoche mit einem Vortrag über "Kunst und Technik - eine neue Einheit". Es folgten Vorträge von Kandinsky "Über synthetische Kunst" und dem holländischen Architekten Oud über die Entwicklung der modernen niederländischen Baukunst. Im Deutschen Nationaltheater wurde Schlemmers "Triadisches Ballett" aufgeführt nebst einem Konzert mit 6 Klavierstücken (darunter 4 Uraufführungen) von Busoni und der Erstaufführung der "Marienlieder" von Hindemith; im Jenaer Theater war Schlemmers "Mechanisches Ballett" zu sehen. Eine Matinee brachte am Abschlusstag unter der Leitung von Scherchen die Wiederholung der Erstaufführung von Strawinskys "Geschichte vom Soldaten". Der Tag klang mit Lampionfest, Feuerwerk, Tanz und der Vorführung der "Reflektarischen Lichtspiele" von Hirschfeld-Mack aus.

Die Presse war von dem Ereignis begeistert und ermutigte das Bauhaus zum Weitermachen. Auch wenn der wirtschaftliche Erfolg zunächst ausblieb - die Lebenskraft der Ideen des Bauhauses war bewiesen!

Das Musterhaus

Entworfen wurde das Musterhaus unter der Leitung von Georg Muche, die praktische Umsetzung der Entwürfe besorgten Walter March und Adolf Meyer von Gropius' Architekturbüro, die Ausstattung war ein Gemeinschaftswerk aller Werkstätten des Bauhauses. Auch wenn das Haus ein Prototyp ist, war es doch ein "ordentlicher" Hausbau, der über Jahre genutzt werden sollte und konnte. Leitidee war die Errichtung einer Siedlung für die Angehörigen des Bauhauses, um die materiellen Lebensbedingungen bezüglich Wohnraum und Ernährung zu sichern, die angestrebte Arbeits- und Lebensgemeinschaft zu fördern und den Werkstätten ein praxisbezogenes Wirkungsfeld zu erschließen. Als Standort wurde der Hornberg am (damals) östlichen Stadtrand Weimars gewählt, ein Gelände, das schon seit 1920 von Bauhäuslern gepachtet und zur eigenen Versorgung gärtnerisch bewirtschaftet wurde. Leider ist das Musterhaus das Einzigste in Weimar fertig gestellte Zeugnis des Bauhauses, die Siedlung der "Meisterhäuser" konnte erst in Dessau realisiert werden.

Die Raumorganisation des Hauses orientiert sich am Prinzip des "Wabenbaus", das eine Raumkonzeption aus einem großen Hauptraum mit angrenzenden kleinen Räumen vorsieht (Baukasten im Großen, Gropius). Die Raumorganisation ist ausgelegt auf die Nutzung durch eine Familie ohne Hauspersonal. Die Hälfte der Nutzfläche nimmt der zentrale Wohnraum in Anspruch, ringformig um diesen herum gelagert befinden sich die so genannten Zimmer der Dame, Zimmer des Herren, Kinderzimmer, Arbeitsnische, Gästezimmer, Esszimmer, Küche und Bad. Die Belichtung des Hauptraumes erfolgt durch Oberfenster an der Süd- und Westseite, wodurch dieser stark überhöht wird und von außen der Eindruck von Zweigeschossigkeit entstehen kann; die übrigen Räume besitzen Wandfenster. Die Außenanlagen des relativ großen Grundstücks bestehen aus einer Veranda und einem, bedingt durch die Hanglage, terrassenstufigen Garten mit abgetrennten Gemüsegarten. Das Haus steht relativ zur Straße leicht verdreht, so dass dem Betrachter eine ungewöhnlich plastische Perspektive vemittelt wird.

Verantwortlicher Bauherr des Musterhauses war Gropius selbst, die Bauausführung übernahm die "Soziale Bauhütte Weimar", die Bauzeit betrug vier Monate. Finanziert wurde der Bau durch den Industriellen Adolf Sommerfeld, für den Gropius ein Haus in Berlin-Dahelm entworfen hatte; die Stadt Weimar selbst stellte kein Geld zur Verfügung. Die Bauleitung bemühte sich um Baustoffe und Baukonstruktionen, die einen neuen, synthetischen Baugedanken (Gropius) und hohe Wirtschaftlichkeit versprachen.

Für den Wand- und Deckenaufbau wurden vorgefertigte Leichtbausteine aus zementgebundenen Schlackebeton verwendet. Die doppelt gesetzten Platten mit dazwischen liegender Torfoleumisolierung brachten wesentliche Ersparnisse gegenüber einer Ziegelmauer hinsichtlich Material-, Transport- und Lohnkosten, bebauter Fläche und Heizungsbedarf. Die Decken wurden als Keramikhohlsteindecken mit Stahleinlagen ausgeführt, die Dacheindeckung als mehrlagige Bitumenbahneindeckung. Verputzt wurde mit einem wetterbeständigen silbergrauen Terranova-Edelputz. Die Oberlicht-Fenster bestehen aus schmiedeeisernen Fensterrahmen, die das Deckengewicht mit aufnehmen, in den Wohnräumen wurden Holz-Drehfenster verbaut, in Bad und Küche platzsparende Kippfenster mit Kristallspiegelglas. Die Fensterbänder, Fußleisten und Wandverkleidungen in Küche, Bad und der Waschnische bestanden aus weißem, schwarzem und rotem Opakspiegelglas. Als Fußbodenbelag wurden Gummi und Triolin (als Linoleum-Ersatz, welches mit einer Luxussteuer belegt war) verwendet. Im Haus wurde eine Zentralheizungsanlage mit Kohlekessel im Keller eingebaut, Küche und Bad waren mit Gas-Warmwasserbereitern ausgestattet und im Keller befand sich eine Hauswäscherei mit Gasheizung und elektrischem Antrieb.

Die Einrichtungsbereitstellung verteilte sich auf die Werstätten folgendermaßen:

  • Josef Hartwig: Hausmodell
  • Marcel Breuer: Wohn- und Damenzimmer
  • Alma Buscher, Erich Brendel: Kinderzimmer
  • Erich Dieckmann: Speise- und Herrenzimmer
  • Benita Otte, Ernst Gebhardt: Küche
  • Alma Buscher: Beleuchtung im Kinderzimmer
  • Carl J. Jucker: Schreibtischlampen
  • Gyula Pap: Stehlampe im Wohnraum
  • Laszlo Moholy-Nagy: Beleuchtung im Herrenzimmer
  • Alfred Arndt, Josef Maltan: Innenausmalung der Räume
  • Lis Deinhardt: Teppich im Herrenzimmer
  • Martha Erps: Teppich im Wohnzimmer
  • Benita Otte: Teppich im Kinderzimmer
  • Agnes Roghe: Teppich im Damenzimmer
  • Gunta Stölzl: Teppich in der Wohnzimmernische
  • Theo Bogler, Otto Lindig: Keramische Gefäße

1924 kaufte der Rechtsanwalt Franz A. Kühn das Haus und bewohnte es mit seiner Familie bis 1938. 1926, 1927 und 1933 ließ er Anbauten errichten, die dem Grundgedanken des Entwurfs für das Haus, ein mit der Familiengröße mitwachsendes Haus zu bauen, durchaus gerecht wurden. 1938 kaufte die Vermögensverwaltung der Deutschen Arbeitsfront das Grundstück, um im Rahmen der "Umgestaltung" Weimars durch die Nazis auf dem Gelände einen Schulkomplex zu errichten, was jedoch durch den Kriegsbeginn vereitelt wurde.

Zwischen 1945 und 1951 war das Haus in der treuhänderischen Verwaltung der Stadt Weimar, dann wurde es "Volkseigentum", unter Denkmalschutz gestellt (was soviel bedeutete, wie: Nullsanierung aus Geld-, Material- oder sonstigem Mangel) und vermietet. Zwischen 1979 und 1986 führten die Architekturstudenten des ersten Studienjahres der Hochschule für Architektur und Bauwesen (der heutigen Bauhaus-Universität) ihren Einführungskurs im Musterhaus "Am Horn" durch.

1996 wurde das Gebäude von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt und in die Denkmalliste der Vereinten Nationen aufgenommen. 1998/99 wurde das Bauwerk erstmals denkmalpflegerisch saniert und instand gesetzt. Dabei wurde versucht, dem Orginalzustand von 1923 möglichst nahe zu kommen (die Anbauten wurden entfernt, verloren gegangene Teile der Inneneinrichtung so authentisch wie möglich ersetzt, das Grundstück nach alten Plänen rückgestaltet etc.). Seit 1999 schließlich befindet sich die Gesamtanlage Musterhaus "Am Horn" in der Trägerschaft des "Freundeskreis der Bauhaus-Universität Weimar e.V." und wird als Gäste- und Ausstellungshaus genutzt.

Kontext

In den Krisenjahren nach dem Ersten Weltkrieg fehlten in Deutschland mehr als 1 Million Wohnungen. Da es zudem durch den Mangel zahlungskräftiger Mieter an Anreizen für das private Bauen fehlte, sahen sich die Kommunen gezwungen, erstmals selber im sozialen Wohnungsbau als Bauträger aufzutreten. Bedingt durch die wirtschaftliche Situation lagen dabei die Prioritäten auf niedrigen Baukosten, was durch eine Rationalisierung des Bauwesens erreicht werden sollte. In diesem Umfeld standen die Ideen des Bauhauses. Kunst und Technik - eine neue Einheit - so formulierte Gropius ein neues Lehrsystem, mit dem die Industrie als bestimmende Kraft der Zeit anerkannt wurde. Die Beschäftigung mit der industriellen und maschinellen Produktion wurde zum Kredo aller Bauhaus-Arbeit. Gropius: Das neue Ziel ist fabrikmäßige Herstellung von Wohnhäusern im Großbetrieb auf Vorrat, die nicht mehr an der Baustelle, sondern in Spezialfabriken in montagefähigen Einzelteilen erzeugt werden müssen. Gropius entwickelte das Konzept des "Großen Baukastens", das mit dem Versuchshaus "Am Horn" erstmals (ansatzweise) demonstriert werden sollte.

Neues Bauen Am Horn

Im Sommer 1995 entstand die Idee, in Weimar ein neues Stadtquartier auf dem Gelände der nie realisierten Bauhaussiedlung an der Leibnizallee modellhaft zu planen und umzusetzen: Das neue Quartier soll die Vielfalt städtischer Lebensformen ermöglichen; das wird auf verschiedenen Wegen erfolgen: Durch Genossenschaften oder Bauherrengemeinschaften realisierte Projekte werden genauso möglich sein wie das vom Wohnungsbauunternehmen errichtete klassische Stadthaus mit Miet- oder Eigentumswohnungen. Die Wohnungen und ihr Umfeld müssen auf die sozialen Veränderungen der postindustriellen Gesellschaft reagieren können: die sich wandelnden Familienstrukturen, die neuen Arbeitsverhältnisse, die neuen Formen der medial vermittelten Kommunikation. Die Industriegesellschaft hat die fossilen Brennstoffvorräte der Erde fast verbraucht. Die Belastung der Atmosphäre durch schädliche Emissionen hat einen kritischen Grenzpunkt erreicht. Zukunftsorientiertes menschliches Handeln muss sich daher wieder in die natürlichen Energie- und Stoffkreisläufe der Erde einfügen. Für alles Bauen heißt das: Der Energie-, Landschafts- und Materialverbrauch muß reduziert, die Energie der Sonne stärker als bisher genutzt werden. Die eingesetzten Materialien müssen langlebig, ressourcenschonend und zum Teil auch wiederverwendbar sein. Architektonische und technische Innovation allein wird aber nur ein Moment auf dem Weg zu einem umweltgerechten Bauen sein: Der Knoten der Ökologie ist und bleibt die Benutzung. (Zitat aus der Infoseite "Neues Bauen Am Horn", s.u.)

Mit dem neuen Stadtquartier sollen wiederum moderne Ideen des Bauens umgesetzt werden. Das Hauptaugenmerk gilt heute der ökologischen Bauweise, ein Ziel ist die Demonstration, dass sich diese auch ökonomisch rentabel umsetzen lässt. Es soll durch intensive umwelt- und umgebungsgerechte Bebauung und Flächennutzung eine Alternative zu den heute üblichen vorstädtischen Einzel- und Reihenhaussiedlungen "auf der grünen Wiese" gezeigt werden. Ein weiterer Aspekt ist es, die sozialgerechte "Stadt der kurzen Wege" zu stärken. Und nicht zuletzt steht auch das "Neue Bauen Am Horn" in der Tradition der Ideen des Bauhauses der kompakten Baukörper und des Miteinanders verschiedener Bevölkerungsgruppen.

Adresse

Freundeskreis der Bauhaus-Universität Weimar e.V.
Am Horn 61
99421 Weimar

Musterhaus Am Horn-Stadtplan

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